GIP - Gerechtigkeit als innerdeutsches Problem

Fragestellung

Für den Zusammenbruch der DDR und den Wiedervereinigungswillen der DDR-Bevölkerung waren ökonomische Faktoren von zentraler Bedeutung. Die DDR war wirtschaftlich und industriell am Ende und konnte die Konsumwünsche der Menschen nicht mehr befriedigen. Die meisten Menschen waren der langjährigen Entbehrungen überdrüssig und sehnten sich nach dem Warenangebot und dem Wohlstand der westlichen Welt. Die Hoffnung auf eine rasche Angleichung der Lebensverhältnisse wurde durch Prognosen vieler Politiker genährt, die einen Zeitraum von fünf bis höchstens zehn Jahren bis zur Anpassung der Lebensbedingungen veranschlagten und mit der Verheißung "blühender Landschaften" Optimismus und Zuversicht verbreiteten.

Entgegen diesen Prognosen kann 17 Jahre nach der Wende von einer umfassenden Angleichung der Lebensverhältnisse nicht die Rede sein. Trotz beachtlicher Fortschritte hinken die neuen Bundesländer in vielen objektiven Indikatoren von Wohlstand und Lebensqualität hinter den alten Bundesländern her. Wir haben es mit einer Situation der sozialen Ungleichheit zu tun, die in der Soziologie und in der Sozialpsychologie als relative Deprivation und relative Privilegierung bezeichnet wird. Aus zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, dass soziale Ungleichheiten für viele Betroffene (und Außenstehende) die Gerechtigkeitsfrage aufwerfen. Soziale Ungleichheiten, die nicht gerechtfertigt werden können, belasten das Wohlbefinden und den sozialen Frieden. Die Gerechtigkeitsproblematik verschärft sich, wenn soziale Ungleichheiten innerhalb eines sozialen Gefüges auftreten, das als Einheit deklariert wird und sich als Gemeinschaft versteht.

Aufbauend auf früheren Arbeiten zur relativen Deprivation und relativen Privilegierung wird in GiP längsschnittlich untersucht, welche dispositionellen Einstellungen, Überzeugungen und Werthaltungen gemeinsam mit welchen spezifischen Ansichten und Urteilen über die innerdeutsche Verteilung von Wohlstand und Lebensqualität zu subjektiven Ungerechtigkeiten führen, und welche Effekte Ungerechtigkeitswahrnehmungen auf Emotionen, Handlungsbereitschaften und Indikatoren der seelischen Gesundheit haben. Eine ausführliche Beschreibung der Projektidee und der theoretischen Grundlagen von GiP kann unseren Veröffentlichungen entnommen werden, insbesondere dem folgenden Buchkapitel: Schmitt, M., Maes, J. & Schmal, A. (1999). Ungerechtigkeitserleben im Vereinigungsprozess: Folgen für das emotionale Befinden und die seelische Gesundheit. In M. Schmitt & L. Montada (Hrsg.), Gerechtigkeitserleben im wiedervereinigten Deutschland (S. 169-212). Opladen: Leske + Budrich.

Finanzierung

Das Projekt wurde zwischen 1994 und 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Die Anschlussfinanzierung erfolgt aus Mitteln des Landesforschungsfonds Rheinland-Pfalz.

Lokalisation

Das Projekt ist seit 1994 im Fach Psychologie des Fachbereichs I der Universität Trier beheimatet. Zwischen 1997 und 2000 war auch das Psychologische Institut der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg involviert. Untergebracht ist das Projekt in einem Containerverbund gegenüber dem A/B Gebäudekomplex der Universität Trier.

v.l.n.r. Andreas Schmal, Manfred Schmitt, Jürgen Maes

Anschrift

Prof. Dr. Manfred Schmitt, Fachbereich I - Psychologie, Universität Trier, D-54286 Trier

Mitarbeiter

Befragungsthemen

Die Lebensqualität der ost- und westdeutschen Probanden wird über die Fragebögen in sieben Themenbereichen erfragt:

  1. Arbeit und Beruf
  2. Materielle Situation
  3. Menschliche Situation
  4. Wohnqualität
  5. Stadtqualität
  6. Umweltqualität
  7. Naturschutz

In der letzten Untersuchungswelle wurde eine zusätzliche Befragung zum Thema Ausländer in Deutschland durchgeführt.

Methodik

Untersuchungstyp

Es handelt sich um eine Korrelationsstudie mittels Fragebogen. Dieser Untersuchungstyp ist insofern angezeigt, als die Fragestellung sich vor allem auf subjektive Sichtweisen und Bewertungen der individuell vorgefundenen Lebenslage und ihres Vergleichs mit realen oder hypothetischen Alternativen bezieht und nicht auf Erleben und Verhalten in standardisierten Situationen, die experimentell oder feldexperimentell hergestellt werden könnten.

Untersuchungsplan

Die Untersuchung ist längsschnittlich angelegt, um den zu erwartenden Veränderungen der innerdeutschen Situation Rechnung zu tragen, diese als Bezugsrahmen subjektiver Veränderungen nutzen und Kausalinterpretationen korrelativer Zusammenhänge empirisch fundieren zu können. Die Untersuchungszeitpunkte wurden gleichabständig festgelegt. Bisher wurden drei Untersuchungswellen im Abstand von zwei Jahren realisiert (1996, 1998, 2000). Jede Untersuchungswelle gliedert sich in mehrere Erhebungszeitpunkte im Abstand von je einem Monat. Weitere Angaben zum Untersuchungsplan finden sich bei Schmal, Maes & Schmitt (1996, siehe Projektberichte).

Stichprobe

Eine detaillierte Beschreibung der Stichprobengewinnung findet sich bei Schmal, Maes & Schmitt (1996, siehe Projektberichte). Die Gesamtstichprobe bestand zum ersten Untersuchungszeitpunkt aus etwas mehr als 2500 Probanden, die zu 45% den alten und zu 55% den neuen Bundesländern entstammen. Die Probanden wurden mit Hilfe unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien aus über 100 Gemeinden gewonnen, die Deutschland flächendeckend repräsentieren. 60% der Probanden sind männlich. Die altersmässige Zusammensetzung ist wie folgt: 15-25 (9%), 26-45 (34%), 46-65 (41%), über 65 (16%). Wegen des gewählten Mindestalters von 15 Jahren sind ledige Personen unterrepräsentiert (23.3%), verheiratete Personen überrepräsentiert (65.6%). Der Anteil geschiedener und verwitweter Personen (11.2%) ist annähernd bevölkerungsrepräsentativ. Dies gilt auch für die Erwerbsquoten (West: 68%; Ost: 60%) und die Arbeitslosenquoten (West: 8%; Ost: 18%) zum Zeitpunkt der ersten Untersuchungswelle. Wie in allen Untersuchunen mit umfangreichen Fragebogen sind höhere Berufsgruppen und Bildungsschichten überrepräsentiert. Weitere Angaben zur Zusammensetzung der Stichprobe finden sich bei Schmal, Maes & Schmitt (1996, siehe Projektberichte).

Ergebnisse

Die Ergebnisse des Projekts können Projektberichten und anderen Veröffentlichungen entnommen werden. Alle Projektberichte sind als pdf-Dateien im Netz verfügbar.

Bibliographie sozialwissenschaftlicher Literatur zur Deutschen Einheit

http://www.wiedervereinigung.de/